Unser Kirchenarchiv

Martin Zimmer freut sich und ist gerne bereit, Informationen zu unserem Kirchenarchiv, das er seit vielen Jahrzehnten erfolgreich leitet, zu geben.

Besuche im Archiv sind nach Absprache mit ihm möglich. Ansprechpartner Martin Zimmer, Telefon 02391 - 2276

Mehr als 20 Jahre hat unser Archivar Martin Zimmer für jeden Gemeindebrief aus dem Kirchenarchiv unserer Gemeinde berichtet. Leider muss Herr Zimmer diese beliebte Rubrik aus gesundheitlichen Gründen einstellen. Wir danken Herrn Zimmer sehr herzlich für die vielen spannenden Einblicke in das Leben der Gemeinde.

Die Geschichte der Ev. Kirchengemeinde Ohle von Martin Zimmer

Die Geschichte der Ev. Kirchengemeinde Ohle reicht weit in die vorreformatorische Zeit zurück.

Die ältesten Bauteile des nach dem Kirchenpatron Sankt Martin genannten Gotteshauses werden in der Literatur unterschiedlich angegeben. Verschiedene Hinweise geben sie für die Zeit von 1050 bis 1100 an, andere nennen die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. Im 14. Jahrhundert löste sich die Ohler Filialgemeinde von der Muttergemeinde Plettenberg und wurde selbstständige Taufkirche.

Bis zur Reformation galt die Ohler Kirche als bekannter Gnaden- und Wallfahrtsort. Auf der nördlichen Chorseite des Ohler Gotteshauses befand sich seinerseits eine Reliquie. Es soll sich um das Haupt des Bischofs Kornelius gehandelt haben, der in der Apostelgeschichte erwähnt wird. Alljährlich am Kornelitag wurde dieses Heiligtum in einer Prozession zum Hemberg getragen. Ziel war die „heilige Eiche“, jener Ort, an dem einst Wilhelmus de Ole diese Reliquie der Legende nach von einem Engel an den frommen Ritter übergeben bekam.

Zum Kirchspiel Ohle, das politisch bis 1890 dem Amt Neuenrade angeschlossen war, gehörten die Berg- bzw. Talsiedlungen Erkelze, Selscheid, Grimminghausen, Teindeln und Hilfringhausen sowie Elhausen nebst einigen Einzelhöfen im „Ohler Gebirge“. So ist es verständlich, dass sich in den Beständen des Ohler Kirchenarchivs auch umfangreiche Quellen zur Geschichte der genannten Kirchspielorte finden.

Bestandteile dieses kirchlichen Archivgutes sind auch u.a. Urkunden,, Kirchbücher, Verträge, Protokollbücher, Prozessakten, Rechnungsbelege, Schulakten und Akten-Einzelstücke. Peter Dietrich Frommann war es, der erstmalig jenes Quellengut des Ohler Kirchenarchivs auswertete und im Rahmen vieler Dokumentationen veröffentlichte.

Nach wie vor gelten die Aktenbestände des Ohler Kirchenarchivs als Primärquelle für die regionale Geschichtsforschung. Nach dem von der Landessynode der Ev. Kirche der Union erlassenen Archivgesetzes von 1988 sind auch die Kirchengemeinden „verpflichtet, ihr Archivgut zu kennzeichnen, zu erhalten und gegen Verlust und Beschädigung zu sichern…“. Ebenso soll „es zugleich für die kirchliche Arbeit und die Forschung erschlossen werden“ (§ 3, Archivgesetz).

Im Hinblick auf das zu erwartende Archivgesetz begannen bereits 1981 im Auftrag des damaligen Presbyteriums der Ev. Kirchengemeinde Ohle die ersten Sondierungsarbeiten im Kirchenarchiv durch Martin Zimmer. Sämtliche Aktenbestände wurden entsprechend der vom Landeskirchlichen Archiv in Bielefeld empfohlenen Gliederung geordnet und zum Teil in Tüten verpackt und signiert. Das Ordnungsschema ergab sich aus der „Aufbewahrungs- und Kassationsordnung“ vom 19.12.1988. Sämtliche Archivarbeiten wurden mit dem damaligen Landesarchivrat Prof. Dr. Hey, Bielefeld, und der Mitarbeiterin, Frau Anna Warkentin, geplant und durchgeführt. Mehrere Besuche durch das Landeskirchliche Archiv fanden zwischenzeitlich im Kirchenarchiv Ohle statt.

Von „Aktenkatakomben“ kann glücklicherweise beim Kirchenarchiv Ohle nicht gesprochen werden. Mit großem finanziellem Aufwand wurde einst im Gemeindehaus ein eigener Archivraum eingerichtet, versehen mit Stahlschränken, Glasvitrinen für Ausstellungen und den notwendigen technischen Geräten. Im Herbst 2019 kam ein benachbarter Archivraum für den umfangreichen Sammlungsbestand hinzu.

Anlässlich der Amtseinführung von Pfr. Uwe Schneider 1991 wurde erstmalig durch das Kirchenarchiv der Öffentlichkeit die Geschichte der ev. Kirchengemeinde Ohle in Form einer Ausstellung vorgestellt. Neben historischen Fotos mit Motiven vom Dorf Ohle und der Kirche, Pfarrerporträts, Gruppenaufnahmen von Konfirmanden sowie tabellarische Übersichten der in Ohle amtierenden Prediger vom Mittelalter bis heute (1310 -2019) wurden erstmalig auch Original-Dokumente des 14. bis 20. Jahrhunderts gezeigt. Dabei spannte sich der Bogen von der ältesten erhaltenen Original-Urkunde des Jahres 1367, einem Güterverkauf in Plettenberg-Eiringhausen betreffend, bis zu einem 1869 zwischen der Kirchengemeinde Ohle und dem Freiherrn von Wrede, Brünninghausen, geschlossenem Vertrag über die Auflösung des Patronatsverhältnisses.

Eine willkommene Bereicherung dieser archivalischen Zeugnisse, von denen ein Teil bereits Mitte der 60iger Jahre von Emil Dösseler in Regestenform veröffentlicht wurde, stellte der 16 Kilogramm schwere Klöppel der „Mauritius-Glocke“ dar, der seit Anfang der 80iger Jahre im Kirchenarchiv unserer Gemeinde zu finden ist. Ebenso wurde im Herbst 2019 der alte „Kaiserstuhl“ der Ohler Kirche und deren Turmhahn ins Archiv übernommen.

Martin Zimmer, Archivpfleger

Akten sind gelebtes Leben!

Akten sind gelebtes Leben! Diese Aussage kann der Leser alter Handschriften im Kirchenarchiv unserer Gemeinde nur bestätigen!

 

Natürlich waren auch die Pfarrer in früheren Zeiten darum bemüht, Kirchenbücher gewissenhaft zu führen, d. h. Geburts- und Sterberegister einzutragen sowie den Schriftwechsel mit Gemeindegliedern und Behörden korrekt zu führen und aufzubewahren. Leider wurden in der Geschichte unserer Kirchengemeinde damals nicht alle Pastöre dieser Forderung gerecht. Pastor Karl Friedrich Wille, von 1809 bis 1870 Seelsorger der Kirchengemeinde Ohle, gehört neben seinem Vorgänger im Amt, Pastor Peter Wilhelm Werkshagen, zu jenen Pfarrern, der in besonderer Weise für kirchliche Verwaltungsarbeit Verständnis zeigte.

Es ist dem langjährigen Küsterehepaar, Herrn und Frau Six zu verdanken, daß ein in Vergessenheit geratener Aktenbestand unseres Kirchenarchivs erhalten und vor Jahren „neu entdeckt“ werden konnte. Diese „Briefschaften“ umfassen ca. 500 Einzelschriften aus den Jahren 1790 bis 1840. Sie beinhalten nicht nur formale Korrespondenzen zwischen Pfarrgemeinde und verschiedenen Behörden, sondern schildern u. a. auch besondere Notsituationen einzelner Gemeindemitglieder. Bekanntlich wandte man sich damals gern an den Ortspfarrer. Dieser wiederum war bemüht, unter Berücksichtigung der besonderen Notlagen seiner „Schäfchen“ wohlwollend zu helfen. In unserem Falle allerdings bedurfte es der Zustimmung durch die zuständigen Verwaltungsbehörden in Werdohl und Altena. Nur jene Behörden konnten für einen recht dringlich gewordenen Hochzeitstermin(!) die sonst gültigen Aufgebotsfristen auf dem Ermessenwege verkürzen.

Hier nun als Abschrift der Inhalt eines handschriftlichen Schreibens des damaligen Ortsvorstehers vom Hofe, Werdohl, an den Landrat Holzbrink in Altena:

„Seiner Hochwohlgebohren dem Herrn Landes Director Holzbrink in Altena Unterthänigste Bitte um Erlaubnis zur Copulation.für den Conscibirten Pet. W. v. Thus in Ohle: Der Conscibirte (Wehrpflichtige) Pet. W. v. Thus in Ohle, welcher sich im Canton Buch des Amts Neuenrade Kirchspiel Ohle unter der fortlaufenden Numer 27 aufgeführt findet, soll sich mit der Tochter des Joh. Casp Heßmer zu Hilverlingsen fleischlich vermischt haben, so daß dieselbe von dem genannten Thus schwanger seyn soll. Da nun dies Paar nach Ordnung dreimal öffentlich aufgeboten und alles zur Hochzeit auf den morgenden Tag vorbereitet ist, so ergehet an den Hochwohlgebohrenen dieselben die unterthänigste Bitte diesem Paar, wenns halb möglich, die Erlaubnis.zur Copulation zu erteilen, damit nach dem Wunsch der Eltern dieses Mädchen mit Ehren unter die Haube kömmt. Dieses ist der wahre Wunsch der beiderseitigen Eltern, und garnicht die Meimung eine Befreiung vom Militär Dienst dadurch erschleichen zu wollen, wozu auch gar keine Gründe aus dieser Heirath hergeleitet werden können, wenn anderes die Heirath selbst nicht schützen. Es wird aber geglaubt, daß ein phisischer Fehler, welcher derselbe auf einem Auge trägt, ihn ohne dem befreien würde. Übrigend überlaße dieses einer näheren Behertzigung und verharre mit der vorzüglchsten Hochachtung als Euer Hochwohlgebohren Ganz unterthänigster Diener vom Hofe Ortsvorsteher Werdohl d. 10t. Aug.: 1808"

Antwort v. Holzbrinck in Altena (Randnotiz auf Orgiinalschreiben): "Da der Fehler am Auge des P.W. Thus nicht sichtbar, so kann ihm ohne nähere Besichtigung. keine Befreiung vom Mliitär Dienste zuge...owerden, eine ausdrückliche Erlaubniß zu seiner Copulatio kann ich eben so wenig erteilen, weil ich dazu keine Befugnis habe. Altena 19. Aug.1808, v. Holzbrinck"